Damit sekundärrechtliche Normen erlassen werden können, müssen die Unionsorgane zu dieser beabsichtigten Rechtssetzung berechtigt sein. Die Union besitzt keine Kompetenz-Kompetenz, ist also nicht berechtigt, aus eigener Souveränität heraus neue Kompetenzen für sich zu begründen. Die Union kann nur dann Rechtsakte erlassen, wenn das Unionsrecht sie ausdrücklich dazu ermächtigt. Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.
Die Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten regeln Art. 2-6 AEUV. Grundlegend ist dabei zwischen ausschließlicher und geteilter Zuständigkeit zu unterscheiden.
Die ausschließliche Rechtsetzungskompetenz der Union gem. Art. 3 AEUV verwehrt den Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen tätig zu werden, außer sie werden dazu ermächtigt oder führen Unionsrechtsakte aus. Zur ausschließlichen Rechtsetzungskompetenz zählen
- die Zollunion,
- Wettbewerbsregeln für den Binnenmarkt,
- Währungspolitik in den Euro-Staaten,
- Erhaltung der biologischen Meeresschätze,
- gemeinsame Handelspolitik sowie
- für den Abschluss bestimmter internationaler Übereinkünfte, vgl. Art. 3 I AEUV.
Bei der geteilte Rechtsetzungskompetenz der Union nach Art. 4 AEUV ist ein Mitgliedstaat nur so lange zuständig, wie die Union keinen Rechtsakt erlassen hat. Die geteilte Zuständigkeit zwischen EU und den Mitgliedsstaaten besteht für viele Bereiche, etwa für Binnenmarkt, Sozialpolitik, wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt, Landwirtschaft und Fischerei, Umwelt, Verbraucherschutz, Verkehr, Transeuropäische Netze, Energie, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, etc.. Vor allem im Bereich der geteilten Zuständigkeit hat die Union das Subsidiaritätsprinzip zu beachten. Die Union darf nur dann tätig werden, wenn das durch den Rechtsakt angestrebte Ziel besser auf der Unionsebene als auf der Ebene der Mitgliedstaaten erreicht werden kann.
Die ausschließliche oder geteilte Rechtsetzungskompetenz kann sich explizit, implizit oder durch Kompetenzergänzung ergeben.
Bei der expliziten Rechtsetzungskompetenz muss die Union in der jeweils vorgeschriebenen Rechtsform handeln, außer ihr ist die Wahl überlassen
Die Union kann auch implizit zuständig sein in den Bereichen, die notwendigerweise mitgeregelt werden. Die „implied-power“-Lehre hat vor allem im Abschluss völkerrechtlicher Verträge durch die Union Bedeutung. Der EuGH hat der Union die Außenkompetenz für die Bereiche zugestanden, in denen ihr durch die Verträge entsprechende Innenkompetenzen zustehen (sog. „Parallelität von Außen- und Innenpolitik“)
Die Kompetenzergänzung nach Art. 352 AEUV hat Vorrang vor der „implied-power“ Lehre. Durch die Kompetenzergänzungsvorschrift kann der Rat auch dann einen Rechtsakt erlassen, wenn der AEUV keine entsprechende Kompetenznorm bereithält. Dies dient der Schließung etwaiger Befugnislücken. Der Rückgriff auf diese Norm unterliegt dem Subsidiaritätsprinzip.
Schließlich kann sich eine Kompetenz ergeben, wenn das für den Erlass eines Rechtsaktes zuständige Organ durch eine einschlägige Kompetenznorm bestimmt wird.